Prostatakarzinom

Bei jedem 6. Mann über 50 Jahre wird heute ein Prostatakarzinom (Prostatakrebs) festgestellt. Mit zunehmendem Alter steigt die Wahrscheinlichkeit zu erkranken.
Bei 9 von 10 Männern über 90 Jahre finden sich in einer feingeweblichen Untersuchung Prostatakrebszellen. Die Ursache ist multifaktoriell.

Die Prostata ist eine Drüse und hat die Größe einer Walnuss. Sie umschließt die Harnröhre unterhalb der Blase. Sie gehört zu den männlichen Fortpflanzungsorganen und produziert einen Eiweißstoff (Enzym), der den Samen verflüssigt (prostataspezifisches Antigen, PSA).

Frühdiagnostik







Frühdiagnostik kann nicht vor dem Ausbruch einer Erkrankung schützen. Ein frühzeitig erkanntes Prostatakarzinom hat jedoch eine hohe Heilungschance. Zur Frühdiagnostik gehören Tastuntersuchung der Prostata, Bestimmung des PSA-Wertes, transrektale Sonographie und ggf. Biopsie. Die Messung des PSA-Wertes ist nicht unumstritten, denn ein leicht erhöhter Wert kann auch zu Überdiagnose und Übertherapie führen. Auch reicht eine einmalige Bestimmung nicht aus, ein erhöhter Wert muss grundsätzlich kontrolliert werden. Das Alter des Patienten spielt eine große Rolle. Ca. 30% der über 50-jährigen Männer tragen ein „stummes Prostatakarzinom“ (latent) in sich, das dem Mann zu Lebzeiten keine Beschwerden verursacht und auch nicht gesundheitsgefährdend ist. In der Regel wächst ein Prostatakarzinom langsam. Es bleibt nach der Diagnose genügend Zeit, in Ruhe die Behandlungsmöglichkeiten abzuwägen.

Erkrankung

Hat sich herausgestellt, dass Sie wirklich an Prostata-Krebs erkrankt sind, muss das genaue Tumorstadium ermittelt werden. Zur Bestimmung des Tumorstadiums wird der Gleason-Score bestimmt. Er lässt Rückschlüsse auf die Aggressivität des Tumors zu. Er reicht von 6-10. Je höher der Score, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Krebs schneller wächst.

Eine weitere bildgebende Diagnostik (z.B. CT, MRT, PET-CT, Skelettszintigraphie) erfolgt, wenn der Tumor als sehr groß oder aggressiv eingestuft wird.

Die TNM-Klassifikation beschreibt, wie weit sich der Tumor ausgebreitet hat (T), ob Lymphknoten betroffen (N) oder Metastasen vorhanden sind (M).

Die Diagnose einer Krebserkrankung wirkt sich immer auf das gewohnte Umfeld aus und verändert den Alltag. Damit umzugehen ist nicht immer leicht. Es kann sinnvoll sein, rechtzeitig psycho-onkologische Hilfe anzunehmen. Auch kann es hilfreich sein, sich vor einer Therapieentscheidung eine 2. Fachmeinung (second opinion) einzuholen.

Sind alle Informationen zusammengetragen, steht die Entscheidung über die Behandlungsmöglichkeit an.

Es kommen je nach Befund folgende Möglichkeiten in Betracht:

Kontrolliertes Zuwarten
Operation
Bestrahlung
Brachytherapie, eine lokale Form der Strahlentherapie
Hormontherapie
Chemotherapie
palliative Therapie

Natürlich müssen Sie über die medizinischen Wirkungen und Nebenwirkungen einer Behandlung gut informiert werden. Die Bedeutung für ihre zukünftige Lebensführung und ihr körperliches und seelische Wohlbefinden ist zu beachten. Welche Therapie Ihrer persönlichen Situation angemessen ist und entspricht, ist Ihre persönliche Entscheidung und erfordert eine umfassende Information und Aufklärung durch den Behandler.

Kontrolliertes Zuwarten

Ein wenig aggressives Prostatakarzinom wächst nur sehr langsam oder auch gar nicht. Daher soll der Nutzen einer Behandlung sehr genau gegen die Risiken abgewogen werden. Operation, Strahlentherapie oder Hormontherapie belasten unter Umständen ihren Körper stärker als der Krebs. Aufmerksames Beobachten (watchful waiting) bedeutet, dass Ihr Gesundheitszustand regelmäßig von Ihrem Arzt kontrolliert wird. Erst wenn Beschwerden auftreten, werden diese behandelt.

Operative Entfernung der Prostata (radikale Prostatektomie, RP)

Sie verfolgt das Ziel der Heilung. Der Eingriff kann zwischen Schambein und Bauchnabel (retropubisch), laparoskopisch (Bauchspiegelung) oder mittels Dammschnitt (perineal) erfolgen. Es können auch Lymphknoten mit entfernt werden. Eine transurethrale (d.h. durch die Harnröhre vorgenommene) Resektion der Prostata (TURP) wird bei gutartiger Prostatavergrößerung vorgenommen oder als palliative (lindernde) Maßnahme durchgeführt, um Störungen bei der Blasenentleerung zu vermeiden. Verbesserte und neue Operationstechniken haben dazu geführt, dass operationsbedingte Nebenwirkungen geringer geworden sind. Häufiger kommt es zu Harnträufeln (Inkontinenz). Auch können Harnwegsinfekte auftreten. Ein weiteres Problem ist die erektile Dysfunktion (beeinträchtigte Gliedversteifung). Eine Lymphknotenentfernung kann zu Lymphödembildung führen. Durch Nervenschädigung können Gefühlsstörungen auftreten.

Wärme- und Kältetherapie, HiFu, Lasereinsatz, Kyroablation

Die Wirksamkeit dieser Verfahren wird derzeit geprüft. Noch ist eine langfristige Wirksamkeit nicht bewiesen. Sie sollten nur bei sehr kleinen Tumoren in Betracht gezogen werden.

Strahlentherapie (Radiotherapie)

Ionisierte Strahlen verändern das Erbgut von Zellen. Normale, gesunde Zellen können solche Schäden meistens reparieren. Bei Krebszellen funktioniert das Reparatursystem nicht so gut, sie sterben ab. Die Bestrahlung stellt eine Alternative zur Operation dar. Sie kommt zum Einsatz, wenn Gründe gegen eine operative Maßnahme sprechen (Alter, Begleiterkrankungen). Eine zusätzliche Bestrahlung nach Operation (adjuvant) kann sinnvoll sein, wenn der Tumor eine bestimmte Größe überschritten hat.

Man unterscheidet die perkutane Strahlentherapie (von außen durch die Haut) von einer Brachytherapie (von innen). Die Brachytherapie kann mit sehr hoher Dosisrate durchgeführt werden (HDR-Brachytherapie) oder mit einer geringeren Intensität über einen längeren Zeitraum (LDR-Brachytherapie). Die Brachytherapie ist zur Behandlung des lokal fortgeschritten oder metastasierten Prostatakarzinoms nicht geeignet.

Eine palliative Bestrahlung kann zum Beispiel zur gezielten Behandlung von Knochenmetastasen eingesetzt werden.

Bei jeder Bestrahlung wird ein Bestrahlungsplan sorgfältig erstellt, die erforderliche Strahlendosis (Gray, Gy) wird ermittelt mit dem Ziel, gesundes Gewebe weitestgehend zu schonen. Moderne Verfahren wie Protonen-Bestrahlung sollen die Belastung von umgebendem gesunden Gewebes weiter minimieren.

Nebenwirkungen der Strahlentherapie erklären sich durch die Strahleneinwirkung auf gesundes Gewebe (Blase, Enddarm, Haut). Diese können akut auftreten. Ähnlich wie nach einer Operation kann es aber auch zu Spätfolgen wie Impotenz, Inkontinenz oder chronischen Darmentzündungen kommen.

Hormonentzugstherapie

Das Prostatakarzinom ist ein primär hormonsensibler Tumor. Hormoneller Einfluss kann zu Tumorwachstum führen. Daher führt umgekehrt Hormonentzug zu einem Wachstumsstillstand. Ziel ist also, den Testosteron-Spiegel zu senken oder die Testosteron-Wirkung am Testosteron-Rezeptor der Tumorzelle zu unterbinden. Die Hormonentzugstherapie ist eine systemische Therapie, das heißt, sie wirkt auch auf Metastasen und kommt oft beim fortgeschrittenen oder metastasierten Tumor zur Anwendung (palliativ).

Es stehen verschiedene Therapieoptionen zur Verfügung.

Entfernung beider Hoden (Orchiektomie)
LHRH- Analoga (Goserelin, Leuprorelin Zoladex®): Sie unterbrechen den Regelkreis zwischen Hirnanhangsdrüse und Hoden und senken die Testosteron-Produktion um ca. 95%. Da Testosteron auch außerhalb des Hodens in den Nebennieren gebildet wird, bleibt immer ein gewisser Testosteron-Spiegel erhalten. Nach der ersten Gabe ist zunächst ein Anstieg des Testosteron-Spiegels zu erwarten. Daher erfolgt mindestens anfänglich die Kombination mit Antiandrogen.

Antiandrogene (Cyproteronacetat Androcur®, Bicalutamid Casodex® , Flutamid) werden oft ergänzend zu LHRH-Analoga eingesetzt
(maximale Androgen-Blockade) und binden direkt an den Androgen-Rezeptor.

Intermittierende Hormontherapie: Die Medikamentengabe erfolgt in Abhängigkeit des PSA-Wertes, fällt der Wert ab, wird die Medikation pausiert.

Dreifach Kombination mit Finasterid: Finasterid ist ein Wirkstoff, der zur Behandlung gutartiger Prostatavergrößerungen eingesetzt wird. Der Einsatz beim Karzinom ist experimentell, die Wirksamkeit durch Studien nicht belegt.

Nach längerer antihormoneller Therapie entwickeln sich oft Zellen, die trotzdem weiterwachsen, ja sogar das Antiandrogen als Wachstumsstimulation wahrnehmen. In diesen Fall kann durch Medikamentenwechsel ein erneutes Ansprechen erreicht werden. Eine Hormonentzugstherapie wird manchmal auch adjuvant nach Operation und/oder Strahlentherapie eingesetzt, um ein Rezidiv der Erkrankung zu vermeiden. Ob ein frühzeitiger Hormonentzug einen Überlebensvorteil darstellt, ist nicht nachgewiesen. Eine Indikation ergibt sich, wenn Behandlungs-bedürftige Beschwerden vorliegen. In einzelnen Fällen (fortgeschrittenes Prostatakarzinom) kann der Hormonentzug auch schon vor einer Bestrahlung erfolgen (neoadjuvant). Dadurch soll versucht werden, die Menge von Krebszellen zu verringern und so die Wirksamkeit einer Bestrahlung zu erhöhen.

Nebenwirkungen der Hormonentzugstherapie sind Gynäkomastie (schmerzhaftes Anschwellen der Brust). Dies kann durch eine kurze, praktisch nebenwirkungsfreie Bestrahlung der Brustdrüse vermieden werden. Durch die hormonellen Veränderungen kann es zu Veränderungen der Libido und Potenz kommen. Die Entwicklung einer Osteoporose wird gefördert. Beeinträchtigend sind manchmal Hitzegefühl/Schweißausbrüche, Gewichtszunahme und Muskelabbau. Auch kann die Hormonentzugstherapie zu psychischen Veränderungen (Antriebsschwäche, depressive Verstimmung) führen. Antiandrogene hemmen die Testosteron-Bildung nicht, sondern blockieren die Rezeptoren. Daher ist der Testosteron-Spiegel normal bis leicht erhöht. Damit bestehen weniger Nebenwirkungen. Eine alleinige Antiandrogen-Therapie kommt nur bei geringer Tumorbelastung infrage. Am stärksten sind die Nebenwirkungen ausgeprägt bei der maximalen Androgen-Blockade, also der Kombination.

Chemotherapie

Die Chemotherapie ist ebenfalls eine systemische Therapie, d.h. sie wirkt auf den gesamten Organismus. Es werden Medikamente eingesetzt, die die Zellteilung hemmen. Chemotherapie beim Prostatakarzinom kommt zum Einsatz, wenn trotz Hormontherapie ein weiteres Tumorwachstum besteht oder erhebliche Beschwerden vorliegen, die durch das weitere Tumorwachstum ausgelöst sind. Ob ein frühzeitiger Einsatz Vorteile erbringt, ist bislang ungeklärt. Die Entscheidung, eine Chemotherapie durchzuführen, muss sehr sorgfältig abgewogen werden. Insbesondere ein „Nebenwirkungsmanagement“ muss suffizient erfolgen, um die Belastung auch auf das subjektive Befinden und die Lebensqualität gering zu halten.

Docetaxel ein Chemotherapeutikum aus der Gruppe der Taxane (Eibenrinde) ist zur Behandlung zugelassen.

Nebenwirkungen können durch begleitende Medikamente, z.B. gegen Übelkeit gemildert werden. Auch können allergische Reaktionen durch Kortisongabe vermieden werden. Da durch die Gabe von Chemotherapeutika auch die Blutbildung unterdrückt wird, kommt es zu einer Verminderung der Abwehrzellen mit erhöhter Infekt-Anfälligkeit. Es kann zu Übelkeit Erbrechen, Durchfällen, Haarausfall, Verfärbung der Fingernägel, Entzündung der Mundschleimhaut, Thrombosen und Nervenschädigung mit Taubheitsgefühl/Schmerzen an Händen und Füssen (Polyneuropathie) kommen (siehe Patienteninformation „Chemotherapie“).

Palliative Therapie, Behandlung fortgeschrittener Erkrankung

Zur Behandlung einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung stehen verschiedene Methoden zur Verfügung, Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu erhalten oder zu verbessern. Ein gutes psychisches und physisches Befinden kann Einfluss auf den Verlauf einer Erkrankung nehmen. Die palliative Therapie hat nicht zum Ziel, durch Tumorzellvernichtung zu einer Heilung zu kommen. Es geht vielmehr darum, eigene Ressourcen zu optimieren.

Hier kommen verschiedene Therapien zum Einsatz:

Lokale Bestrahlung, Radionuklidbehandlung (Knochenmetastasen)
Gabe von Bisphosphonaten, Antikörper (Denusumab, XGEVA®)
Schmerztherapie

Nicht nur medikamentöse Verfahren sind von Bedeutung. Die metabolisch angepasste Ernährung (stoffwechselangepasst), Krankengymnastik und Physiotherapie zu Erhaltung von Mobilität und Muskelkraft sowie die psycho-onkologische Begleitung haben eine große Bedeutung. Neben dem körperlichen Zustand geht es auch um seelisches, soziales, ökonomisches und spirituelles Wohlbefinden.

Neue Therapieansätze (Antikörper/zielgerichtete Therapien) und Studien

Innerhalb von Studien kommen neue Substanzen zur Behandlung des Prostatakarzinoms zum Einsatz. So z. B. der Antikörper Ipilimumab, neuartige Antiandrogene oder Impfstoffe (Sipuleucel-T). Auch Antikörper, die das Gefäßwachstum bremsen, kommen zum Einsatz.

Diese Verfahren benötigen noch viel Forschung, bevor Ergebnisse zur Wirksamkeit vorliegen.

Ob die Möglichkeit zu einer solchen neuen Behandlung besteht, muss entsprechend des Krankheitsstadiums und der Histologie ermittelt werden.

Nachsorge

Spätestens 3 Monate nach Abschluss der Behandlung, sollte die Nachsorge beginnen. Dabei erfolgt eine ausführliche Anamnese über Beschwerden und die Bestimmung des PSA-Wertes. In den ersten 2 Jahren findet die Nachsorge alle 3 Monate statt, im 3.und 4. Jahr alle 6 Monate und ab dem 6. Jahr jährlich. Bildgebende Verfahren (MRT, CT, Knochenszintigramm) werden nicht routinemäßig durchgeführt. Erst bei einem PSA-Wert über 10ng/ml sind sie aussagekräftig.



Quelle:
https://habichtswald-reha-klinik.de/onkologie/informationen-onkologie/prostatakarzinom/